Arrangierte EHE? Kranepohl & Boese

1955 war es eine beschlossene Sache. Verheiratet werden sollten Dorli und Klaus. Nicht wegen der Liebe, sondern aus geschäftlichen Interessen. Große Gärtnerei in Schönebeck heiratet große Gärtnerei in Magdeburg.

Was die Eltern nicht wussten, ist, dass Dorli und Klaus ganz andere Vorstellungen hatten. Nämlich keiner von beiden wollte eine Hochzeit. „Es liege keine Liebe in der Luft“. Jeder der beiden noch jungen Erwachsenen hatte eigene Pläne. Dorli hatte bereits ihren späteren Mann… kennengelernt. Klaus hatte eine andere Frau auch im Auge. Die Eltern waren lange enttäuscht, doch die Zusammenarbeit der Gärtnereien hat bis zur Wende gehalten.

Heute sind die beiden Familien so nah zusammengerückt wie noch nie. Der erfolgreiche Blumenladen in Schönebeck hat entschieden, sich auf die Floristik zu spezialisieren und den friedhofsgärtnerischen Teil an die Gärtnerei Boese abzugeben. In den Wintermonaten haben die Tochter von Dorli Kranepohl und der Enkel von Klaus Boese zusammengesessen und eine Übernahme geplant.

Seit dem 01.01.2022 betreut Martin Cziborra mit seinem Team die über 250 Grabstellen in Schönebeck.

Mehr Informationen zur Grabpflege in Schönebeck finden Sie hier: https://fg-boese.de/was-wir-bieten/grabpflege-dauergrabpflege/

Katze gerettet

Es ist Frühling auf dem Westfriedhof im Feld 8. Wir bepflanzen Gräber mit Stiefmütterchen, Vergissmeinnicht, Bellis und Narzissen. Langersehnte Sonne wärmt meine Wangen, während ich die Pflanze in das Beet setze. Die Vögel zwitschern, doch dann höre ich einen Ton, den ich kenne, aber hier nicht erwarte.

Es ist ein gequältes, ängstlichen Weinen. Ein Miauen einer Katze. Auch meinen Mitarbeitern fällt es auf. Wir lassen alles liegen und folgen dem traurigen Ton. Auf einer 5 Meter hohen Kiefer, ganz in der Nähe, hängt sie zwischen den dichten grünen Nadeln.

Rufe und Zusprüche helfen ihr nicht, sie hat Angst zu Springen. Ganz praktisch gedacht rüttle ich an dem Baum. Ich kann ihn fast mit beiden Händen umschließen, als ich böse Blicke meiner Mitarbeiter einfange.

Ich gehe die Möglichkeiten durch. Eine Kettensäge habe ich im Auto – „Nee, das ist zu hart denke ich.“ Also bleibt nur eins, Klettern. „Janine, Doreen holt mal die große Winterjacke aus dem Auto“, rufe ich. Dann klettere ich auf den naheliegenden Grabstein und denke: „Erika, dass ist für einen guten Zweck.“ Von Erikas Stein auf den ersten Ast, immer höher. Das Mauen wird weniger, weil die Mietze mich für eine Gefahr hält. Ich komme immer höher, es wird ganz schön wackelig. „Na, ob das wohl hält?“ 

Wir gucken uns in die Augen. Ich strecke meinen Arm aus und zerkratze ihn an den Nadeln und toten Ästen. Egal, jetzt muss ich der Mietze helfen. Ich packe sie mit der rechten Hand im Nacken. Ich weiß, dass sie dann still hält, denn genauso werden junge Tiere von der Mutter getragen. 

Mit der linken Hand halte ich mich am Baum fest. Ich drehe mich um.

Janine und Doreen halten die Jacke 3 Meter tiefer gespannt. Ok, ich zähle bis 3. Eins, zwei, drei, ich lasse los. Mietze landet sicher in der Jacke und rennt weg. Es hört sich an, als würde sie meckern, während sie flüchtet. Doch wir wissen, dass wir etwas Gutes getan haben. 

Gemeinsam pflanzen wir weiter mit einem angenehmen Gefühl im Herzen.

Honig vom Friedhofsgärtner

Klingt irgendwie schräg denke ich, als ich von einem Banker ein Glas Honig geschenkt bekomme.

Wir sitzen zu fünft im Konferenzraum der Treuhandstelle in Hannover. Die Geschäftsführung und ich, als ein Teil des Aufsichtsrats halten eine Sitzung. Dabei geht es um die zukünftige Entwicklung der Treuhandstelle für Dauergrabpflege. Wir sprechen über Vertragszahlen, über Grabpflege und das vergangene Jahr. Am Ende steht der Vertreter der Hausbank auf, überreicht jedem ein Glas Honig und erzählt dabei von Nachhaltigkeit, von einer grünen Innenstadt, von Bienen auf dem Dach der Bank.

Ich denke wahnsinns Idee. Ich öffne meine Notiz App und schreibe: „Ich möchte Bienen auf meinem Bürogebäude.“

Zurück in Magdeburg schlage ich in unserer Teambesprechung die Idee vor. Stille! „Meint er das ernst?“ fragt sich Janine. 

Zufällig kenne ich eine Imkerin in der Nähe. Wir treffen uns. Was ich da erfahre, nimmt mir den Wind aus den Segeln. 50.000 Bienen? Die regelmäßig kontrolliert werden und die Krankheiten bekommen können. Außerdem wird es ganz schön viel Arbeit machen, den Honig zu ernten erzähle ich Zuhause beim Abendessen. Wer mich überzeugt, ist meine Tochter: „Papa, das ist ja cool, wir machen unseren eigenen Honig! Ich helfe dir!“

Hier geht es zum Honig: https://fg-boese.de/was-wir-bieten/honig/

Erinnerung bewahren Teil 2

Ich stehe an einem sommerlichen Tag mit Herrn Dr. Volker Kielstein an dem Grab seiner Frau. Wir plaudern etwas über die Grabgestaltung. Dann kommen wir zum eigentlichen Grund unseres Treffens. Ein Team aus Steinmetz, Webdesigner, Autorin und mir haben alles perfekt vorbereitet. Wir setzen in den Bodendecker einen kleinen Stein. Auf einer Fläche von 10×10 cm befindet sich ein QR-Code. Ich zücke mein Handy, öffne die Foto-App und scanne locker aus der Hüfte den QR-Code.

Ich bin etwas aufgeregt, da ich nicht weiß, wie Herr Dr. Kielstein reagieren wird. Es wird auf jeden Fall emotional… und es geht schnell. QR heißt quick response – rasche Antwort also.

Eine liebevoll gestaltete Web-Seite öffnet sich auf meinem Handybildschirm. Prof. Rita Kielstein, 8. NOVEMBER 1941 – 27. JANUAR 2018 sind die ersten Worte, die Herr Dr. Kielstein liest. Stille. „Das sieht ja schön aus“, sagt er. Wir scrollen langsam nach unten und entdecken ein junges Mädchen, ein Zitat, Bilder aus den Studienzeiten, aus gemeinsamen Urlauben. Dann beginnt Herr Dr. Kielstein stolz zu erzählen. Ich sehe ihn dabei an und erkenne ein Glitzern in seinen Augen. Er ist glücklich, ein gemeinsames Leben teilen zu können.

Ich bin erleichtert und freue mich schon auf die Veröffentlichung im MDR. Denn während der  gesamten Arbeit hinter den Kulissen und auch während des Treffens an der Grabstelle hat uns ein Filmteam begleitet. Am 4. Oktober 2022 ist es soweit! 

Ich finde, digitale Trauerkultur ist ein Zukunftsthema. Der Friedhof braucht lebendige Geschichten gegen das Vergessen. Ich würde mich freuen, wenn Menschen mutig sind und diese neuen Möglichkeiten nutzen, um ihre Geschichte und die ihrer Verstorbenen zu erzählen. 

Zum Film in der ARD Mediathek den Link klicken: Auf Leben und Tod – Der Westfriedhof Magdeburg

Mehr Informationen gibt es hier: Erinnerungen bewahren

Erinnerung bewahren Teil 1

Es ist der erste Lockdown, der vielen Magdeburgern Angst macht und gleichzeitig Langeweile verbreitet. Viele werden in die Kurzarbeit geschickt, andere sitzen im Homeoffice. Manche wollen einfach nur raus aus den beklemmenden 4 Wänden. Ich gehöre dazu. Mit meiner Frau gehe ich oft spazieren. Klar, als Friedhofsgärtner natürlich über den Friedhof. Es ist der Westfriedhof, der die meisten Geschichten erzählen kann. Außerdem muss ich mir hier sowieso noch Grabstellen ansehen, denke ich. 

An diesem Frühlingstag singen die Vögel, der Wasserhahn plätschert in das Becken, überall blüht es und das frische Laub an den Bäumen lasst plötzlich alles so normal erscheinen. Auf dem Friedhof kann man gut abschalten und sogar ein bisschen vergessen. An Inzidenzen, Krankenhausüberlastungen und Corona-Zahlen ist hier nicht zu denken.

Meine Frau schaut sich die Grabsteine an. Ich gucke mir die Bepflanzungen der Gärtner an. „Sieh mal wie alt der hier geworden ist“. „Aha…“, sag ich, während ich hier und da noch ein Unkraut herausziehe. Als Gärtner achte ich eher selten auf Grabnamen und Daten. Ich habe nur Augen für Blumen. Franzi fragt weiter. „Guck mal diesen Grabstein an. Der Name kommt mir bekannt vor“. Wir stehen vor einem 2,5 Meter hohen Grabstein mit 4 Säulen. In der Mitte steht Fabrikbesitzer Blume. „Was der wohl produziert hat?“ fragt sie mich. Ich nehme das Handy und frage Google. Nix. 

„Eigentlich schade, dass Menschen so vergessen werden“, sagt meine Frau. Stimmt. Es wäre doch schön, wenn man zu jeder Grabstelle immer eine Geschichte lesen könnte? Franzi: „Vielleicht sogar mit einem Bild. So wie ein kurzer Lebenslauf. Als lebendige Erinnerung.“ Ich: „Ja, so dass die Geschichte für immer festgeschrieben ist!“ Franzi: „Auf dem Grabstein ist kein Platz und ein Schild aufbauen wäre auch irgendwie unpassend.“ Interessant, denke ich.

2 Jahre später werde ich auf die passende Idee kommen. Das ist dann die Fortsetzung meiner Geschichte. Sie ist sogar Teil eines Films geworden. Am 04.10.2022 wird der Film im MDR-FERNSEHEN ausgestrahlt. 

Fortsetzung Teil 2 hier klicken.

Unterschätzt werden ist ein Vorteil!

2009 findet in Schwerin die Bundesgartenschau statt. Trotz weniger Erfahrung nehme ich an der Ausstellung teil. Ich bin unter vielen Profis der Neuling. Der „Erstaussteller“ der noch Hilfe benötigt.

Um zu wissen, was wir Gärtner dort machen, muss ich etwas ausholen. Einfach gesagt ist es wie eine Olympiade für Friedhofsgärtner. Jeder Gärtner bekommt einen Grabstein zugelost und muss seine Pflanzen perfekt zur Größe, zum Standort, zur Jahreszeit und zum Grabstein anordnen. Das klingt leicht, ist aber eine Wissenschaft. Denn nur wer alle Richtlinien beherrscht, eine perfekte Qualität der Pflanzen hat und dabei noch sein Handwerk beherrscht, hat die Chance auf die Goldmedaille!

Nun ist es Mai. Die erste Bepflanzung haben wir erfolgreich gemeistert. Die Stiefmütterchen haben es verdient ausgetauscht zu werden. Sie sahen toll aus! Jetzt wollen wir Begonien pflanzen. Begonien die perfekt in der Blüte stehen. Sie haben so ein kräftiges gesundes Blatt, dass sie fast künstlich wirken.

Wir sind also da. Es ist Samstag. Ich habe Hilfe dabei. Es ist mein bester Freund Basti der Bundeswehrsoldat. Um uns herum viele Profis, die mit OP-Handschuhen ihre Pflanzen putzen und mit Nagelscheren in Form bringen. Schiefe, verblühte Blüten werden abgeknipst. Wurzelballen werden feinsäuberlich kleiner gemacht, damit mehr Pflanzen auf das Beet passen. Ein Gärtner baut ein kompliziertes Gerüst über seine Grabstelle, damit er ja nicht den Bodendecker berührt. Abgeschnittene Blätter werden mit einer Art Staubsauger abgesaugt.

Da stehen wir nun vor unserem Grab und sind etwas eingeschüchtert. „Weißt du was Basti? Hol doch schon mal die Begonien!“ Basti holt die Begonien. Damit der Oberfeldwebel nicht so viel laufen muss macht er etwas, was hier noch kein Gärtner gesehen hat.

Er nimmt eine Schubkarre, stellt eine Kiste Begonien drauf, noch eine oben drauf und noch zwei. Er fährt los. Eine Gärtnermeisterin, die den gesamten Ausstellungsbereich betreut öffnet den Mund und sagt „Äh,… ich wusste garnicht, dass man Begonien stapeln kann.“ Basti grient und sagt: „Klar kann man!“ Gemeinsam pflanzen wir ganz filigran, mit viel Liebe perfekte Konturen, achten auf jede Blattstellung, Höhen und bekommen…. GOLD!

Po Richtung Stein

Frau Müller geht fast täglich zum Friedhof, doch das hat sie noch nie gesehen. An einem herrlichen Herbsttag stehen 4 Gärtner in einer Reihe.

Alle zeigen gebückt mit ihrem Po zum Grabstein. Das muss merkwürdig aussehen, denke ich mir. Frau Müller wundert sich bei diesem Anblick. Ich spreche sie an. „Es ist ein ganz simpler Trick, den die Gärtner hier anwenden. Die Gärtner stehen verkehrt herum und treiben die Pflanzerde immer weiter nach Hinten zum Grabstein. Das macht das Pflanzbeet für den Kunden schöner, denn es ist eine kleine Steigung zum Grabstein. Diese wirkt für das menschliche Auge angenehm. Außerdem sieht man jede einzelne Blüte der Pflanzen besser.

Frau Müller nimmt ihre Kanne Wasser, schmunzelt und sagt: „Das ist ja toll, gelernt ist eben gelernt“.

Ruhe in Frieden – anders als erwartet

Es ist der Magdeburger Ostfriedhof für den ich mich entschieden habe. Entschieden klingt nicht passend, denn hätte ich die Wahl, wäre ich noch ein paar Jahre mehr mit meinem Mann um die Welt gereist. Doch nun ist es der Ostfriedhof, den ich Tag für Tag für mich alleine entdecke. Bei der Auswahl der Grabstelle habe ich mich für ein Einzelgrab entschieden. Es ist ein schöner sonniger Standort. Ich denke mir “das passt“. Wir liebten die Sonne. Um uns herum Rasen. Man nennt es „Grabstätte in besonderer Lage.“ Das klingt, als hätten wir einen besonderen Stand in der Gesellschaft. Nein, für mich war ER etwas Besonderes, meine große Liebe.

Die Zeit zwischen Tod und Beerdigung war unwirklich, als wäre ich nicht ich und die Zeit eine andere. Etwas befreiend war der Tag der Beerdigung, aber er war schwer und endgültig. Jetzt liegt er da. Wir sind sichtbar getrennt und irgendwie wieder verbunden. Der Weg zum Grab fällt mir noch immer schwer. Ich fühle mich alleine. Ja hier und da sieht man einen Friedhofsbesucher mit der gleichen Trauer im Gesicht. Manche grüßen, manche nicht. Manche kommen täglich, manche habe ich noch nie gesehen. Ein paar treffen sich regelmäßig. Ich habe gelernt, ein Friedhof ist auch Begegnungsstätte. Ich bin noch nicht so weit.

Die ersten Tage überraschten mich die abgefressenen Blüten. Wer macht so etwas? Waren sie schon verblüht? War es der Gärtner? Ich bringe neue Blumen. Und wieder abgefressen. Ich weine. Ich gehe über den Friedhof und entdecke weitere Spuren. Blumen die abgefressen und rausgerissen sind. Als ich es gesehen habe, konnte ich es kaum glauben. Ein sonderbar schönes Bild auf dem Ostfriedhof. Vor den Sträuchern auf grünem Rasen war ein Reh. Als würde es hier hingehören. Ganz selbstverständlich steht es da.

Ein paar Tage später wird mir klar, dass dieses wunderschöne Tier der Übeltäter ist. Der Gärtner bestätigt mir meine Vermutung. Einer Mitarbeiterin der Friedhofsverwaltung melde ich diesen Vorfall. Ich bin erstaunt, denn es ist bekannt und wird geduldet. Es wird geduldet, dass es Schaden macht? Ok, es ist Frühling und vielleicht findet es jetzt Besseres als meine Rosen. Ich treffe den Gärtner. In einem Gespräch mit ihm, wo es um die Bepflanzung geht, ist es wieder da. „Da, es wartet schon auf die Frühlingsbepflanzung“ scherzt er. Und tatsächlich ein paar Stunden nach der Bepflanzung ist keine Blüte mehr an meinem Beet. Die Verwaltungsmitarbeiterin tröstet mich und streut Hornspäne. Hilft das? Ja, für ganze 2 Tage. Das Spiel wird mehrmals wiederholt. Der Gärtner pflanzt nach, wieder alles weg. Geld nimmt er nicht dafür. Noch nicht denke ich mir.

Unser Hochzeitstag rückt näher und mit ihm eine Unruhe. Ich möchte etwas schmücken, doch für wie lange. Ich frage die nette Floristin im Blumenladen. Zusammen finden wir etwas. Etwas für das Reh. Ich bin verzweifelt und fühle mich wieder alleine, so sehr. Die Friedhofsverwaltung nimmt mich nicht ernst. Habe ich nicht für meinen Ort der Trauer Gebühren bezahlt? Darf ich jetzt für die nächsten 20 Jahre keine Blumen zum Grab bringen? Wer ist für das Reh zuständig? Hornspäne ist keine Lösung und ein anderes Mittel wird es nur verzögern. Ich bin ein Beschützer der Natur, doch hier sollte die Stadt Magdeburg handeln und eine Lösung finden. Damit meine Stimme gehört wird, werde ich Unterschriften sammeln. Im Blumenladen, beim Gärtner, in meinem Seniorenclub und bei anderen Angehörigen, denn ich bin nicht alleine. Ich habe nur den einen Wunsch – Ruhe zu finden.

Mindestens 1 Lächeln

Es ist ein sommerlicher Montag an dem mein Opa beerdigt werden soll. Ich weiß dieser Tag wird sehr heiß, stressig, traurig und irgendwie auch schön werden.

Der erste Termin ist der Blumenladen. Hier hole ich 3 Gestecke und das bestellte Rosenherz ab. Da ich Unternehmer bin, nutze ich die Gelegenheit und fotografiere sie für meinen Onlineshop. Das Ganze geht am besten in meinem Garten. Fotografieren macht mir Spaß. Mal von der Seite, mal von oben, mal mit Schatten, mal mit Sonne. „Perfekt“, denke ich mir.

Blick auf die Uhr: „Jetzt wird’s aber eng“. Schnell in die Dusche, Anzug und schwarze Krawatte an. Dann 5 Punkte Nivea Creme ins Gesicht, so wie Mutti mir das beigebracht hat. Gestecke ins Auto und ab zum Westfriedhof. Natürlich habe ich jede rote Ampel mitgenommen. Doch ich kam rechtzeitig an.

Hier habe ich alle Gestecke ausgeladen. Zusammen mit dem Bestatter haben wir die Kapelle dekoriert. Als Nächstes spreche ich mit dem Redner. Gemeinsam gehen wir durch, was er sagen soll. Irgendwie guckt er mich mitleidig an. „Klar, es geht um meinen Opa“ denke ich mir. Froh alles organisiert zu haben, gehe ich vorbei an den Gestecken, durch die Reihen der Stühle Richtung Ausgang. Ich mache die großen Tore der Kapelle auf, trete auf die Empore.

Die Sonne strahlt mir mit ihrer ganzen Kraft ins Gesicht. Als ich mich an das Licht gewöhnt habe, sehe ich meine Familie. Alle schwarz angezogen mit traurigen Gesichtern. Ich gehe die Treppe runter und nehme meine Oma in den Arm. „Oma, es ist alles organisiert“. Sie hat ein Lächeln im Gesicht. Dann mein Papa, Bruder und meine Tante. Beide lächeln. Meine Tante fragt mich: „Martin, warum hast du denn 5 weiße Punkte im Gesicht“? In dem Augenblick läuft ein Film in meinem Kopf ab, aber rückwärts.

Meine Tochter rettet mich

Ich sitze im Transporter und fahre Richtung Feierabend. In meiner Brust das Gefühl satt von der Welt zu sein. Es gibt diese Tage an denen gelingt einem nur wenig. Ein Kunde ist unzufrieden, ein Auftrag wird nicht bestätigt, eine Kollegin wird krank und man hat plötzlich das Gefühl alleine zu sein.

Mit meinen Gedanken fahre ich genau auf einen traumhaften Sonnenuntergang zu. Doch heute ist das Schöne unsichtbar. Heute ist alles schlecht. Ich komme nach Hause, lege meine Arbeitssachen ab. Jawohl, jetzt fällt mir auch noch der Schlüssel runter.

Mit erschöpften Augen sehe ich ein glückliches, verliebtes Gesicht. Wenn sie spielerisch aus der Küche auf mich zu rennt und „Papa“ ruft ist alles verschwunden. Nur einen Gedanken habe ich jetzt in meinem Kopf, während ich sie in meinen Armen halte und zu dem Lied im Radio tanze. „Wie kann man nur so süß sein“.