Der Alte Mann

Es ist ein angenehm warmer Frühlingsmorgen auf dem Biederitzer Friedhof. Ich bepflanze eine Grabstätte. Um mich herum höre ich Vogelgezwitscher und Bienengesumme. Zu dieser Jahreszeit sind auf diesem Friedhof die Erdbienen sehr aktiv.

Ich bin nicht lange alleine. Ein alter, klappriger Mann geht mit seiner zu kurzen Harke den Weg entlang. Er sieht seltsam aus. Vornüber gebückt, dürr, mit einer viel zu großen Hose. Er kommt näher. Ungepflegt, 90 Jahre alte Haut mit wachen Augen grüßen mich wortlos. Als er an mir vorbeigeht, fallen mir seine schwarzen Socken auf, die über die Hose gezogen sind. Wie das aussieht. Wirklich seltsam.

Ich nehme mir eine Kiste Stiefmütterchen. 12 gelbe, 12 blaue und in der Mitte noch ein Vergissmeinnicht. Gepflanzt sieht es toll aus.

Ich schaue hoch zu dem Alten. Gebückt harkt er den Weg und brummelt irgendetwas vor sich hin.”Der muss verrückt sein,” denke ich.

Selbstsicher pflanze ich weiter, als etwas passiert, was dem Alten nicht passiert wäre.

Panik überkommt mich, als eine oder mehrere Erdbienen an meinem Schuh vorbeifliegen und von unten in meine Latzhose gelangen. Es brummt gewaltig. Ich schüttle mein rechtes Bein, aber keine der Bienen fliegt heraus. In Rekordzeit ziehe ich meine Latzhose aus. Zum Glück wurde ich nicht gestochen, denke ich erleichtert, als ich mitten auf dem Friedhof in meinen Boxershorts wie ein Idiot dastehe.

Der alte Mann mit seinen über die Hose gezogenen Socken schaut mich an und nickt. Ich glaube, er grinst sogar.

Frau Rottenmeier😡

Ich sitze auf einer feuchten, morschen Bank im Feld 11 auf dem Neustädter Friedhof.

In wenigen Minuten treffe ich Frau Rottenmeier. Sie ist jetzt schon 5 Minuten überfällig. Eigentlich müsste sie schon da sein. Sie ist, wie man sagt, eine schwierige Kundin. Etliche Telefonate haben uns jetzt auf diese Bank gebracht. Mit strengem Schritt sehe ich sie auf mich zukommen. Ich stehe auf, sage höflich: „Guten Tag, Frau Rottenmeier.“ Ihre Hand ist kalt, ihr „Guten Tag“ auch. Etwas säuerlich denke ich. So ein Ton, als ob ich zu spät bin. Egal.

„Die Bank müsste auch mal erneuert werden.“

„Ja, Frau Rottenmeier, so etwas machen die Friedhofsmitarbeiter im Winter.“

„Der Winter ist noch weit entfernt!“

Wir sprechen über ihre Grabstelle und finden eine Lösung, die uns beide zufriedenstellt. Anschließend erzählt sie mir von ihren lauten Nachbarn und von einer unfreundlichen Verkäuferin beim Bäcker. Ich bin verständnisvoll und nicke regelmäßig, während ich verträumt eine süße Weinbergschnecke am Boden betrachte. So ein schönes Muster, denke ich.

Weitere Minuten vergehen. Jetzt sind die Ausländer dran. Ich denke mir: „Wie kann man nur so sein?“

Sie ist scheinbar alles losgeworden und möchte nun gehen. Ich verabschiede mich freundlich mit einem Händedruck. Kalt. Es macht Knack. Ich schaue nach unten… Oh nein! Frau Rottenmeier: „Was ist das denn schon wieder Ekliges?“

Ich gehe und hoffe, es gibt dieses Karma, von dem ich gelesen habe.

Es geht immer weiter

Ich sitze vor meinem Team, links die tollen alten Gärtner und Gärtnerinnen, rechts die Neuen und in der Mitte Franzi, meine Sekretärin, die mir so viel im Büro ab nimmt. Gemeinsam planen wir die Woche. „Friedhof geklärt? Büro geklärt? frage ich.“ Dann los, packen wir es an. Franzi fragt noch: „Martin, kann ich dich nochmal alleine sprechen?“ Es ist normal, dass wir zusammen Dinge besprechen. Doch die paar Worte lassen mein Herz kurz holpern. Klar, ich komme gleich ins Büro. Mit Turnschuhen gehe ich locker den 10 Meter Flur entlang. Am Gang würde man denken, der Chef ist aber glücklich mit seiner Firma. Glücklich bin ich. Doch wenn ich diese Tür hinter mir schließe ändert sich alles.

Ich nehme mir meinen Hocker und setze mich zu Franzi. Na was haste denn, frage ich locker überspielt. Martin, ich werde hier aufhören. Ich spüre einen Druck im Hals. Es ist erstaunlich wieviel Gedanken mir in kurzer Zeit durch den Kopf rauschen: Ich im Büro alleine; Herbstbepflanzung; wer am Telefon; Angebote schreiben; Termine, Call-Center, was die anderen sagen.

Ist jetzt die Zeit für ein Burnout? Ähm, Franzi das musst du jetzt erstmal erklären.

Der Grund ist simple und verständlich, für mich wie eine Ohrfeige. Der Kloß im Hals bleibt, nur schnürt sich der Hals enger. Ok, ruhig bleiben Martin. Ich habe eine Stelle als Schulsekretärin in meinem Ort angeboten bekommen. Ich denke: „mehr Geld, kurzer Arbeitsweg, eigene Kinder in der Schule. Das macht alles Sinn.“ Ihre Worte klangen fest und entschlossen. Ich kenne Franzi als jemanden, der wichtige Dinge gut überlegt. Meine Stimme zittert. Ich reiße mich zusammen und spreche ruhig und sachlich mit Ihr. Wann? Wie? Bleibst du bis zum letzten Tag? Wir sind uns einig, eigentlich verstehen wir uns wie immer gut. Doch mein Hals schnürt sich enger zu. Als wir alles besprochen haben wird es Zeit sich umzudrehen, denn es bleibt nicht bei der zittrigen Stimme. Ich drehe mich um schließe die Tür, gehe den Flur mit 100 kg Ballast und glasigen Augen entlang.

Ich rede mit Keinem. Ich fahre mit Rene zum Friedhof, er redet die ganze Zeit irgendwas… und ich höre nicht zu. Meine Frau rufe ich zum Sorgen teilen an. Schon mal 50 kg leichter. Mein Kopf arbeitet auf Hochtouren. So langsam habe ich gecheckt, dass es nur in eine Richtung geht. Kein Aufgeben! Eine Jetzt-erst-recht-Stimmung macht sich breit. Ich setzte mich aufs Fahrrad, stecke meine AirPods ins Ohr und höre ein Lied das mir hilft. Während ich freihändig nach Hause fliege, lege ich mir eine Playlist auf Spotify und eine Stellenanzeige im Kopf zurecht. Ich sage zu meiner Frau mit strahlenden Augen: „Wir essen jetzt, bringen die Kinder ins Bett und schreiben die beste Stellenanzeige, die man für unsere Firma schreiben kann.“ Indeed, Ebay, Webseite, geile Bilder… das volle Programm. Bähm…

Innerhalb von 5 Tagen haben wir über 40 starke Bewerbungen. Wir nehmen die Anzeige nach kurzer Zeit offline. Zusammen mit Franzi suchen wir die Top 7. Jeden Tag eine Bewerbung. Dann sind wir in einer Woche durch, dann 1 Woche Einarbeiten mit Franzi. Das ist das Ziel.

Meinem Team berichte ich erst davon, als die Bewerbungsgespräche geplant sind. Stimmung ist nicht rosig, doch ich spüre eine Kraft, die mir sagt, ich bin nicht allein. Von 7 Gesprächen sind es 3 Frauen, die super geeignet sind. Die Gespräche führe ich zusammen mit meiner Kollegin Janine.

Vor den ersten Gesprächen frage ich meine Tochter abends im Bett: „Romy, wie erkennt man einen guten Menschen?“ „Papa, du fragst einfach ob sie Haustiere hat.“

Sie hat 2 Hasen, die aussehen wie aufgeplatzten Sofakissen. Schön, dass du da bist Jessi!

Link zur Spotify Playliste: https://open.spotify.com/playlist/2qruYyeitCHGzdWSoDQTas?si=14640c689b5247ff

HIER LIEGEN SIE RICHTIG

Es ist Mai 2014, als ich einen Anruf bekomme: „Hallo, ich bin Antje Schneider aus Dresden. Ich arbeite für den MDR und würde gerne eine Dokumentation über den Westfriedhof machen.“ Okay, denke ich. Wenn sie meint, dass es dort etwas Interessantes gibt.

Was mich überrascht, ist, dass Antje ein dreitägiges Praktikum bei uns machen möchte. In diesen drei Tagen formen sich in Antjes Kopf Ideen, die ich noch gar nicht absehen kann.

Pünktlich um 7:00 Uhr am Montag steht sie mit einem Fahrrad vor dem Tor und klingelt. Beim Arbeiten wird alles hinterfragt. Es werden Bodendecker geschnitten und Gräber gepflegt. Warum macht ihr das? Ist das dein Traumberuf, Martin? Kontrolliert dein Opa dich oft? Wie tief liegt der Verstorbene? Noch nie hatte ich so eine interessierte Praktikantin, denke ich.

Plötzlich rennt sie von der Grabstelle weg und spricht eine Omi an, dann noch einen Jogger, ein älteres Pärchen auf einer Parkbank und noch eine junge schwangere Frau. Was ist hier los, denke ich?

Am letzten Tag sitzen wir auf der Treppe der Kapelle. Wir sprechen nicht mehr über einen kleinen Beitrag. Antje plant eine vierteilige Doku-Soap, die zur besten Tageszeit ausgestrahlt werden soll.

Oma und Opa Boese machen mit, ebenso wie meine Frau und meine Kinder. Antje weiß, dass die Opa-Enkel-Kombination perfekt ist. Und Opa sorgt schon bei den ersten Planungen für Lacher, indem er unseren Liegestuhl auf den Hof stellt. Der Stuhl trägt unser Firmenlogo und den Schriftzug „HIER LIEGEN SIE RICHTIG“.

Dieser Schriftzug wird auch gleich zum Namen der Sendung gemacht. 🤗

Kindergeschichte für Jana

Es war einmal eine kleine Biene namens Jana, die in einem wunderschönen Blumengarten lebte. Doch eines Tages wurde das Wetter sehr trocken, und die Blumen begannen zu welken. Jana hatte Angst um ihren geliebten Garten und machte sich auf die Suche nach Hilfe.

Auf ihrer Reise traf sie auf den Friedhofsgärtner namens Rene. Er war bekannt für seine grünen Daumen und seine Fähigkeit, die verwelktesten Pflanzen wieder zum Leben zu erwecken. Jana erzählte ihm von den welken Blumen und bat um seine Hilfe.

Weil Rene ein Friedhofsgärtner war, hatte er ein großes Herz für die Natur und ihre Bewohner. Er entschied sich, Jana zu helfen und machte sich mit ihr auf den Weg zum Blumengarten.

Dort angekommen, sah Rene das Ausmaß der Dürre. Die Erde war trocken und rissig, und die Blumen hingen schlaff herab. Rene nahm seinen Leiber, seine Schlauch und seine Gießkanne und begann, die Pflanzen zu bewässern. Er gab ihnen Wasser und sprach liebevolle Worte, um ihnen Mut zu machen.

Jana flog von Blume zu Blume und bestäubte sie, um ihnen neues Leben einzuhauchen. Gemeinsam arbeiteten Jana und Rene hart daran, den Garten wiederzubeleben.

Nach vielen Tagen harter Arbeit begannen die ersten zarten Knospen zu sprießen. Die Blumen erholten sich langsam von der Trockenheit und erstrahlten wieder in ihrer vollen Pracht. Jana und Rene freuten sich über den Erfolg ihrer Bemühungen.

Die Geschichte von Jana und Rene wurde im ganzen Land bekannt, und die Menschen bewunderten den Friedhofsgärtner als tragischen Helden. Er hatte nicht nur die Pflanzen gerettet, sondern auch die Biene Jana, die ohne seine Hilfe vielleicht verloren gegangen wäre.

Von diesem Tag an widmete Rene sein Leben nicht nur dem Friedhof, sondern auch den Gärten des Landes. Er wurde zu einer inspirierenden Figur für alle Gärtner und Naturliebhaber und lehrte sie, wie wichtig es ist, für die Umwelt zu kämpfen und sie zu schützen.

Und so lebten Jana, Rene und der Blumengarten noch lange glücklich und erblühten in der warmen Sonne.

Der erste Lockdown

April 2020.
Im tiefen Schatten des Lockdowns, als die Welt in Dunkelheit gehüllt war, als die Menschen verunsichert waren, entschlossen wir uns, ein bisschen Licht zu entfachen. Die Ostertage näherten sich und wir wollten unseren Kunden in Magdeburg eine besondere Überraschung bereiten, um ihnen in dieser schwierigen Zeit Trost und Freude zu schenken.

Unsere Mission begann frühmorgens, als wir uns mit Kameras bewaffnet auf den Weg zu den Friedhöfen machten.

Mit großer Sorgfalt und Hingabe machten wir uns daran, die Gräber einzufangen. Jede Grabstelle sollte mit dem frisch gepflanzten Blumenbeet als liebevoll fotografiert. Wir nahmen uns Zeit, um die Atmosphäre der Friedhöfe einzufangen, die von einer Mischung aus Trauer und Frieden erfüllt waren.

Als die Sonne schließlich den Kampf gegen die Wolken gewann, hatten wir unsere Aufgabe erfüllt. Die Bilder waren vollendet, doch wir wollten mehr als nur Fotos versenden. Wir wollten den Menschen das Gefühl geben, dass sie in dieser schweren Zeit nicht allein waren.
Wir verfassten persönliche Anschreiben, die Worte der Hoffnung, des Trostes und der Verbundenheit enthielten. Jedes einzelne Wort wurde sorgfältig gewählt, um den Menschen das Gefühl zu geben, dass ihre Lieben nicht vergessen waren und dass sie in ihren Gedanken und Herzen weiterlebten.

Mit einem Klick wurden die Anschreiben per E-Post versandt und wir hielten den Atem an. Doch was dann geschah, übertraf all unsere Erwartungen. Uns erreichten Anrufe, E-Mails, Briefe und Karten. Die Menschen waren überwältigt von unserer Geste und dankten uns von ganzem Herzen.
Die Aktion hatte nicht nur Glück und Freude verbreitet, sondern auch Vertrauen gewonnen. Die Menschen fühlten sich gesehen und wussten, dass sie nicht alleine waren. Unsere kleinen Ostergrüße hatten eine große Wirkung erzielt und zeigten, dass selbst in den dunkelsten Zeiten ein Funken Hoffnung entfacht werden kann.

Die Geschichten, die uns erreichten, waren herzerwärmend. Kunden berichteten von Momenten der Stille, der Reflexion und der Verbindung zu ihren verstorbenen Angehörigen. Unsere Geste hatte Erinnerungen geweckt, aber auch den Glauben an eine bessere Zukunft gestärkt.

Wir hatten nicht nur Ostergrüße versendet, sondern auch eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart geschlagen. Unsere Aktion war zu einem Symbol der Solidarität und des Mitgefühls geworden, das unsere Kunden in Magdeburg und darüber hinaus vereinte. Gemeinsam hatten wir ein Stück Licht in die Dunkelheit gebracht.

Arrangierte EHE? Kranepohl & Boese

1955 war es eine beschlossene Sache. Verheiratet werden sollten Dorli und Klaus. Nicht wegen der Liebe, sondern aus geschäftlichen Interessen. Große Gärtnerei in Schönebeck heiratet große Gärtnerei in Magdeburg.

Was die Eltern nicht wussten, ist, dass Dorli und Klaus ganz andere Vorstellungen hatten. Nämlich keiner von beiden wollte eine Hochzeit. „Es liege keine Liebe in der Luft“. Jeder der beiden noch jungen Erwachsenen hatte eigene Pläne. Dorli hatte bereits ihren späteren Mann… kennengelernt. Klaus hatte eine andere Frau auch im Auge. Die Eltern waren lange enttäuscht, doch die Zusammenarbeit der Gärtnereien hat bis zur Wende gehalten.

Heute sind die beiden Familien so nah zusammengerückt wie noch nie. Der erfolgreiche Blumenladen in Schönebeck hat entschieden, sich auf die Floristik zu spezialisieren und den friedhofsgärtnerischen Teil an die Gärtnerei Boese abzugeben. In den Wintermonaten haben die Tochter von Dorli Kranepohl und der Enkel von Klaus Boese zusammengesessen und eine Übernahme geplant.

Seit dem 01.01.2022 betreut Martin Cziborra mit seinem Team die über 250 Grabstellen in Schönebeck.

Mehr Informationen zur Grabpflege in Schönebeck finden Sie hier: https://fg-boese.de/was-wir-bieten/grabpflege-dauergrabpflege/

Katze gerettet

Es ist Frühling auf dem Westfriedhof im Feld 8. Wir bepflanzen Gräber mit Stiefmütterchen, Vergissmeinnicht, Bellis und Narzissen. Langersehnte Sonne wärmt meine Wangen, während ich die Pflanze in das Beet setze. Die Vögel zwitschern, doch dann höre ich einen Ton, den ich kenne, aber hier nicht erwarte.

Es ist ein gequältes, ängstlichen Weinen. Ein Miauen einer Katze. Auch meinen Mitarbeitern fällt es auf. Wir lassen alles liegen und folgen dem traurigen Ton. Auf einer 5 Meter hohen Kiefer, ganz in der Nähe, hängt sie zwischen den dichten grünen Nadeln.

Rufe und Zusprüche helfen ihr nicht, sie hat Angst zu Springen. Ganz praktisch gedacht rüttle ich an dem Baum. Ich kann ihn fast mit beiden Händen umschließen, als ich böse Blicke meiner Mitarbeiter einfange.

Ich gehe die Möglichkeiten durch. Eine Kettensäge habe ich im Auto – „Nee, das ist zu hart denke ich.“ Also bleibt nur eins, Klettern. „Janine, Doreen holt mal die große Winterjacke aus dem Auto“, rufe ich. Dann klettere ich auf den naheliegenden Grabstein und denke: „Erika, dass ist für einen guten Zweck.“ Von Erikas Stein auf den ersten Ast, immer höher. Das Mauen wird weniger, weil die Mietze mich für eine Gefahr hält. Ich komme immer höher, es wird ganz schön wackelig. „Na, ob das wohl hält?“ 

Wir gucken uns in die Augen. Ich strecke meinen Arm aus und zerkratze ihn an den Nadeln und toten Ästen. Egal, jetzt muss ich der Mietze helfen. Ich packe sie mit der rechten Hand im Nacken. Ich weiß, dass sie dann still hält, denn genauso werden junge Tiere von der Mutter getragen. 

Mit der linken Hand halte ich mich am Baum fest. Ich drehe mich um.

Janine und Doreen halten die Jacke 3 Meter tiefer gespannt. Ok, ich zähle bis 3. Eins, zwei, drei, ich lasse los. Mietze landet sicher in der Jacke und rennt weg. Es hört sich an, als würde sie meckern, während sie flüchtet. Doch wir wissen, dass wir etwas Gutes getan haben. 

Gemeinsam pflanzen wir weiter mit einem angenehmen Gefühl im Herzen.

Honig vom Friedhofsgärtner

Klingt irgendwie schräg denke ich, als ich von einem Banker ein Glas Honig geschenkt bekomme.

Wir sitzen zu fünft im Konferenzraum der Treuhandstelle in Hannover. Die Geschäftsführung und ich, als ein Teil des Aufsichtsrats halten eine Sitzung. Dabei geht es um die zukünftige Entwicklung der Treuhandstelle für Dauergrabpflege. Wir sprechen über Vertragszahlen, über Grabpflege und das vergangene Jahr. Am Ende steht der Vertreter der Hausbank auf, überreicht jedem ein Glas Honig und erzählt dabei von Nachhaltigkeit, von einer grünen Innenstadt, von Bienen auf dem Dach der Bank.

Ich denke wahnsinns Idee. Ich öffne meine Notiz App und schreibe: „Ich möchte Bienen auf meinem Bürogebäude.“

Zurück in Magdeburg schlage ich in unserer Teambesprechung die Idee vor. Stille! „Meint er das ernst?“ fragt sich Janine. 

Zufällig kenne ich eine Imkerin in der Nähe. Wir treffen uns. Was ich da erfahre, nimmt mir den Wind aus den Segeln. 50.000 Bienen? Die regelmäßig kontrolliert werden und die Krankheiten bekommen können. Außerdem wird es ganz schön viel Arbeit machen, den Honig zu ernten erzähle ich Zuhause beim Abendessen. Wer mich überzeugt, ist meine Tochter: „Papa, das ist ja cool, wir machen unseren eigenen Honig! Ich helfe dir!“

Hier geht es zum Honig: https://fg-boese.de/was-wir-bieten/honig/

Erinnerung bewahren Teil 2

Ich stehe an einem sommerlichen Tag mit Herrn Dr. Volker Kielstein an dem Grab seiner Frau. Wir plaudern etwas über die Grabgestaltung. Dann kommen wir zum eigentlichen Grund unseres Treffens. Ein Team aus Steinmetz, Webdesigner, Autorin und mir haben alles perfekt vorbereitet. Wir setzen in den Bodendecker einen kleinen Stein. Auf einer Fläche von 10×10 cm befindet sich ein QR-Code. Ich zücke mein Handy, öffne die Foto-App und scanne locker aus der Hüfte den QR-Code.

Ich bin etwas aufgeregt, da ich nicht weiß, wie Herr Dr. Kielstein reagieren wird. Es wird auf jeden Fall emotional… und es geht schnell. QR heißt quick response – rasche Antwort also.

Eine liebevoll gestaltete Web-Seite öffnet sich auf meinem Handybildschirm. Prof. Rita Kielstein, 8. NOVEMBER 1941 – 27. JANUAR 2018 sind die ersten Worte, die Herr Dr. Kielstein liest. Stille. „Das sieht ja schön aus“, sagt er. Wir scrollen langsam nach unten und entdecken ein junges Mädchen, ein Zitat, Bilder aus den Studienzeiten, aus gemeinsamen Urlauben. Dann beginnt Herr Dr. Kielstein stolz zu erzählen. Ich sehe ihn dabei an und erkenne ein Glitzern in seinen Augen. Er ist glücklich, ein gemeinsames Leben teilen zu können.

Ich bin erleichtert und freue mich schon auf die Veröffentlichung im MDR. Denn während der  gesamten Arbeit hinter den Kulissen und auch während des Treffens an der Grabstelle hat uns ein Filmteam begleitet. Am 4. Oktober 2022 ist es soweit! 

Ich finde, digitale Trauerkultur ist ein Zukunftsthema. Der Friedhof braucht lebendige Geschichten gegen das Vergessen. Ich würde mich freuen, wenn Menschen mutig sind und diese neuen Möglichkeiten nutzen, um ihre Geschichte und die ihrer Verstorbenen zu erzählen. 

Zum Film in der ARD Mediathek den Link klicken: Auf Leben und Tod – Der Westfriedhof Magdeburg

Mehr Informationen gibt es hier: Erinnerungen bewahren