Erinnerung bewahren Teil 1

Es ist der erste Lockdown, der vielen Magdeburgern Angst macht und gleichzeitig Langeweile verbreitet. Viele werden in die Kurzarbeit geschickt, andere sitzen im Homeoffice. Manche wollen einfach nur raus aus den beklemmenden 4 Wänden. Ich gehöre dazu. Mit meiner Frau gehe ich oft spazieren. Klar, als Friedhofsgärtner natürlich über den Friedhof. Es ist der Westfriedhof, der die meisten Geschichten erzählen kann. Außerdem muss ich mir hier sowieso noch Grabstellen ansehen, denke ich. 

An diesem Frühlingstag singen die Vögel, der Wasserhahn plätschert in das Becken, überall blüht es und das frische Laub an den Bäumen lasst plötzlich alles so normal erscheinen. Auf dem Friedhof kann man gut abschalten und sogar ein bisschen vergessen. An Inzidenzen, Krankenhausüberlastungen und Corona-Zahlen ist hier nicht zu denken.

Meine Frau schaut sich die Grabsteine an. Ich gucke mir die Bepflanzungen der Gärtner an. „Sieh mal wie alt der hier geworden ist“. „Aha…“, sag ich, während ich hier und da noch ein Unkraut herausziehe. Als Gärtner achte ich eher selten auf Grabnamen und Daten. Ich habe nur Augen für Blumen. Franzi fragt weiter. „Guck mal diesen Grabstein an. Der Name kommt mir bekannt vor“. Wir stehen vor einem 2,5 Meter hohen Grabstein mit 4 Säulen. In der Mitte steht Fabrikbesitzer Blume. „Was der wohl produziert hat?“ fragt sie mich. Ich nehme das Handy und frage Google. Nix. 

„Eigentlich schade, dass Menschen so vergessen werden“, sagt meine Frau. Stimmt. Es wäre doch schön, wenn man zu jeder Grabstelle immer eine Geschichte lesen könnte? Franzi: „Vielleicht sogar mit einem Bild. So wie ein kurzer Lebenslauf. Als lebendige Erinnerung.“ Ich: „Ja, so dass die Geschichte für immer festgeschrieben ist!“ Franzi: „Auf dem Grabstein ist kein Platz und ein Schild aufbauen wäre auch irgendwie unpassend.“ Interessant, denke ich.

2 Jahre später werde ich auf die passende Idee kommen. Das ist dann die Fortsetzung meiner Geschichte. Sie ist sogar Teil eines Films geworden. Am 04.10.2022 wird der Film im MDR-FERNSEHEN ausgestrahlt. 

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