Ihre Meinung ist gefragt! „Blumenladen mit Café“

Es ist immer ein schwerer Weg zum Friedhof. Freunde sagen, es dauert ein halbes Jahr. Ich kann nicht sagen, ob es irgendwann besser wird. Mal fühle ich mich leer, mal rede ich mit ihm, als säße er in seinem Sessel. Mal bin ich sauer, dass er mich alleine gelassen hat. Oft denke ich: Warum ausgerechnet ich?

Ich ziehe mich an und gehe. Ohne darüber nachzudenken, warum. Es tut meiner Seele gut. Angekommen, nehme ich zwei Blätter vom Grab. Ich spreche mit ihm über die Kinder. Über einen Gedanken, der mir kam, als es auf dem Weg nach Kaffee geduftet hat. Weißt du noch damals im Urlaub an der Ostsee, als wir jeden Tag den ersten Kaffee an der Promenade getrunken haben? Egal wie das Wetter war, wir haben’s geliebt.

Jetzt sitze ich alleine auf einer Bank viele 100 Meter entfernt von unserem Lieblingsort. Statt Meeresrauschen höre ich Vogelgezwitscher. Ach, wärst du nur hier. Du fehlst mir, Dieter.

Ich glaube, heute ist der Tag. Heute fühle ich mich stärker als sonst. Es liegt auf dem Weg. Es sind nur zwei Stufen. Das Personal grüßt immer freundlich. Ich werde einfach reingehen und mich ans Fenster setzen. Hoffentlich sind keine Leute da, die mich ansehen. Hoffentlich spricht mich keiner an. Ich möchte mit niemandem reden.

Sind es zu viele Menschen, kaufe ich nur einen Strauß für dich und gehe dann raus.

Eine Stufe, die zweite Stufe. Ich gehe an einer schön dekorierten Blumenschale vorbei. Daneben ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen. Sie sehen hart, aber praktisch aus. Auf dem Tisch steht ein Blumenstrauß mit Preisschild. Schön, denke ich. Hoffentlich wird es nicht windig. Noch zwei Schritte und ich bin drin. Ein Gong erschreckt mich. Eine freundliche junge Frau mit einem Ohrring in der Nase grüßt mich, während sie mit einer Gießkanne das Wasser in den Blumenvasen füllt. Ich bin froh, dass sie mich nicht gleich fragt, was ich möchte.

Da stehe ich nun. Es war nicht schwer. Jetzt nur noch die Frage: Strauß oder Kaffee? Ach, Dieter. Zusammen hätten wir den Kaffee genommen und wären zum Meer gegangen.

„Ich bin gleich bei Ihnen. Ich muss nur noch die Kekse aus dem Ofen nehmen“, ruft die freundliche Stimme und reißt mich aus meinen Gedanken.

Es duftet wie damals beim Plätzchen backen mit den Kindern.

„So, da bin ich“, schnauft sie und legt die Handschuhe zur Seite.

„Wie kann ich Ihnen helfen?“

„Also, ich hätte gerne…“ Ich gucke an der jungen Frau vorbei und sehe eine Handvoll Blumensträuße.

Jetzt redet die junge Frau wie ein Wasserfall: „Haben Sie schon einen Kaffee getrunken? Ich kann Ihnen dazu die Kekse empfehlen… die sind noch warm! Und wenn Sie alleine sitzen wollen, dort hinten am Fenster ist ein kleiner Tisch mit schönem Blick.“

„Zwei Kaffee bitte. Hm… ich meine einen 😔 und einen Keks.“

„Ich bringe Ihnen alles zum Tisch.“ Ich sehe mich um und sehe keinen Menschen. Alleine sitze ich doch überall, oder?

„Ja, Sie sind noch sehr früh. Die meisten kommen erst später mit dem 9:00-Uhr-Ticket der Straßenbahn. Vielleicht kommen heute auch nicht so viele, weil das Wetter so schön ist.“

„Wissen Sie, der Blumenladen hat erst seit ein paar Wochen geöffnet. Wir müssen vieles noch ausprobieren und wissen nicht, wie die Jahreszeiten verlaufen, wann Blumen gekauft werden, wann Blumenschalen, wann Kaffee und Kuchen gewünscht sind. Das ist alles gar nicht so leicht. Kuchen gibt’s übrigens erst heute Nachmittag.“

„Das glaube ich. Das ist mutig, so etwas zu machen, ohne dass es etwas Vergleichbares gibt.“

„Ich wünsche Ihnen, dass alles gut geht und sich das Geschäft lohnt. Ich finde es hier sehr ansprechend.“

„Danke und ich finde, Sie sollten hier nicht alleine sitzen. Ich wünsche Ihnen, dass Sie in ein paar Wochen mit einer Freundin hier sitzen, die etwas Ähnliches erlebt hat. Wenn Sie noch etwas brauchen, sagen Sie mir Bescheid. Ich stelle noch ein paar Pflanzen raus. Ach und das mit dem Mutigsein… da haben Sie recht. Ich glaube aber, dass es klappt. Wir sind ein tolles Team💪🏻“, sagt sie.

Ich sitze alleine am Fenster. Sie hat recht, ein schöner Blick in die Natur. Aber auf dem Friedhof. So ist wohl der Lauf der Zeit. Wenn ich so darüber nachdenke, hätte ich gerne die Trauerfeier hier in dem Café gemacht. Leider gab es das damals noch nicht.

Gong. „Hallo, was kann ich für Sie tun?“ – „Diesen Strauß bitte und eine Vase. Meine wird ständig geklaut.“

Gong. Zwei schick gekleidete Damen: „Wir würden uns gerne dort hinsetzen. Für zwei Personen.“ – „Ja, bitte Frau Meier. Ich komme gleich zu Ihnen. Ein Kaffee und einen Cappuccino wie gestern?“

Ich bin alleine hier, denke ich, während ich den ersten Schluck nehme. Dieser Ort ist mehr, als ich gedacht habe. Es ist ein Treffpunkt. Treffpunkt für all diejenigen, die zum Friedhof gehen. Und genau hierauf ist alles abgestimmt. Die kaum sichtbare Trennung zwischen Blumen und Café. Bequeme Sitzgelegenheiten, die Tapete könnte Bauhaus sein. Die beruhigenden Bilder, das Bücherregal, das mit Geschichten gefüllt ist, so individuell wie jeder, der den Laden betritt.

Gong. „Entschuldigen Sie, womit kann ich mein Grab am besten bepflanzen?“ – „Gucken Sie mal da draußen linker Hand, dort haben wir Stiefmütterchen – pflanzfertig, dazu die passende Erde, Dünger und schnick schnack.“

Gong. „Kann man auch draußen sitzen?“ – „Ja klar, die Sonne kommt gleich rum und dann ist es schön. Was kann ich Ihnen bringen?“ – „Bitte einen Kaffee und ein Stück Streuselkuchen, das wurde mir von einer Freundin empfohlen.“ – „Kuchen gibt’s erst ab 14:00 Uhr.“ – „Schade.“ – „Kekse haben wir.“

Gong. „Ich möchte gern einen Tisch reservieren für Freitag um 10:00 Uhr.“ – „Das tut mir leid, am Freitag und Samstag sind Beerdigungen. Hier haben wir meistens geschlossene Gesellschaften bis 13:00 Uhr. Um 15:00 Uhr können Sie gerne kommen.“

Ganz schön was los, denke ich mir. Aber die junge Frau hat recht: Was ist, wenn das Wetter nicht mitspielt? Was ist im Winter bei Schnee oder Regen? Was ist, wenn die Tage zu kurz sind und sich keiner um 16:00 Uhr auf den Friedhof traut?

Mhh. Der Kaffee schmeckt gut und der Keks ist lecker. Es ist schön hier. Ich werde wiederkommen. Den Strauß, der auf meinem Tisch steht, nehme ich mit für dein Grab, dann hast du auch was davon Dieter.

Hinweis & Bitte um Ihre Unterstützung

Diese Geschichte ist fiktiv, aber sie beschreibt eine Situation, die viele Menschen auf dem Westfriedhof Magdeburg erleben könnten. Unser Ziel ist es, mit einem Blumenladen und Café einen besonderen Ort zu schaffen – einen Ort des Innehaltens, Erinnerns und Begegnens.

Damit dieses Projekt die Bedürfnisse der Besucherinnen und Besucher des Westfriedhofs bestmöglich erfüllt, benötigen wir Ihre Meinung! Was halten Sie von dieser Idee? Würden Sie einen solchen Ort nutzen? Haben Sie Anregungen oder Wünsche?

Wir freuen uns über Ihr Feedback:

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