Der Alte Mann

Es ist ein angenehm warmer Frühlingsmorgen auf dem Biederitzer Friedhof. Ich bepflanze eine Grabstätte. Um mich herum höre ich Vogelgezwitscher und Bienengesumme. Zu dieser Jahreszeit sind auf diesem Friedhof die Erdbienen sehr aktiv. Ich bin nicht lange alleine. Ein alter, klappriger Mann geht mit seiner zu kurzen Harke den Weg entlang. Er sieht seltsam aus. Vornüber gebückt, dürr, mit einer viel zu großen Hose. Er kommt näher. Ungepflegt, 90 Jahre alte Haut mit wachen Augen grüßen mich wortlos. Als er an mir vorbeigeht, fallen mir seine schwarzen Socken auf, die über die Hose gezogen sind. Wie das aussieht. Wirklich seltsam. Ich nehme mir eine Kiste Stiefmütterchen. 12 gelbe, 12 blaue und in der Mitte noch ein Vergissmeinnicht. Gepflanzt sieht es toll aus. Ich schaue hoch zu dem Alten. Gebückt harkt er den Weg und brummelt irgendetwas vor sich hin.

„Der muss verrückt sein,“ denke ich. Selbstsicher pflanze ich weiter, als etwas passiert, was dem Alten nicht passiert wäre. Panik überkommt mich, als eine oder mehrere Erdbienen an meinem Schuh vorbeifliegen und von unten in meine Latzhose gelangen. Es brummt gewaltig. Ich schüttle mein rechtes Bein, aber keine der Bienen fliegt heraus. In Rekordzeit ziehe ich meine Latzhose aus. Zum Glück wurde ich nicht gestochen, denke ich erleichtert, als ich mitten auf dem Friedhof in meinen Boxershorts wie ein Idiot dastehe.  Der alte Mann mit seinen über die Hose gezogenen Socken schaut mich an und nickt. Ich glaube, er grinst sogar.