Laub

Die Geschichte von Frau Altenburg und der Liebe zur Perfektion

Werther Herr Cziborra, so begannen oft Briefe von einer Kundin. Am Ende stand stets „hochachtungsvoll, Ihre Frau Altenburg.“
Ich habe mich oft mit ihr getroffen, solange sie noch lebte. Auf dem Friedhof, Feld 6, ging ich auf sie zu. Sobald sie mich sah, griff sie in ihre Haare und überprüfte, ob alles perfekt saß. Auch ihren Blazer oder Gehrock – alles wurde sorgfältig zurechtgezupft. Ich muss sagen, sie war eine sehr schicke ältere Dame.

„Guten Morgen, Frau Altenburg.“ „Guten Morgen, Herr Cziborra“, sagte sie in einer vornehmen Art, wie nur sie es konnte. „Es ist schön, dass Sie sich Zeit nehmen.“ Ich nickte und dachte: Ja, sehr viel Zeit. 20 Minuten Vorgespräch am Telefon und 15 Minuten Terminfindung, inklusive der Wiederholung derselben Punkte.

Da standen wir und sprachen alles durch. „Ja, Frau Altenburg, so machen wir das. Aber natürlich, Frau Altenburg.“ Mittlerweile wusste ich genau, wie das 30-minütige Gespräch endete. Ich würde die wichtigsten Punkte wiederholen und am Schluss noch ein „Bonbon“ servieren.

Es war wichtig, dass das Grab ihres Mannes immer perfekt aussieht, da auch alle Friedhofsbesucher es bewundern würden. „Es soll das schönste Grab auf dem Friedhof sein.“ Sie bat zwar um gärtnerische Beratung, doch eigentlich musste alles exakt nach ihren Vorstellungen sein. Eine Sache hatte sie jedoch über mich gelernt: dass ich immer eine Idee hatte, wie man sich von den anderen abheben konnte – sei es ein besonderes Dekoelement, eine exklusive Pflanze oder eine besondere Verarbeitung von Tannenzweigen am Totensonntag. Eben das „Bonbon.“

Verabschiedet hat sie mich stets mit einem skeptischen Blick, der in mir das Gefühl weckte: Das darf ich nicht vermasseln. Ein paar Tage später kam der Anruf im Büro: förmlich, streng, die Tränen unterdrückend, mit der dringenden Bitte, sich umgehend mit Herrn Cziborra treffen zu müssen. Jessi aus dem Büro fragte am Telefon: „Aber, Frau Altenburg, hat es Ihnen denn gefallen?“ „Ja, es ist wunderschön. Herr Cziborra hat sich wieder selbst…“ – dann ein Schluchzen, und sie legte auf. Es gab immer ein Präsent für die Mitarbeiter, meine Familie und für mich. Und ein 20 minütiges Gespräch am Grab. Ich dachte mir immer: Ach, wenn es sie glücklich macht.

Neun Jahre lang ging das so. Im letzten Jahr bekam Sie eine Diagnose vom Arzt, die sie veranlasste, einen Vorsorgevertrag mit uns zu planen. Bis ins kleinste Detail war alles für ihren Mann und nach ihrem Tod für die gemeinsame Grabstelle geregelt. Doch leider war die Krankheit schneller.

Ein trauriger Anruf kam von ihrer Tochter. Jessi saß mir gegenüber und nahm den Anruf entgegen. Ich sah Tränen in ihren Augen, während sie „Altenburg“ auf einen Zettel schrieb und einen Stern daneben malte. „Wir brauchen nichts mehr an der Grabstelle machen“, war die Aussage.

Traurig war, dass Frau Altenburg genaue Vorstellungen hatte, die nun nicht mehr umgesetzt werden würden. Sie war zwar eine anstrengende, aber dennoch liebevolle Frau. Oft gehe ich an ihrer Grabstelle vorbei und denke: Das hätte ihr nicht gefallen. Es steht mir nicht zu, über die Familie zu urteilen. Ich kenne nur meine Seite der Geschichte.

Manchmal, wenn keiner hinschaut, puste ich das Laub von ihrer Grabstelle.
Sie hat es gehasst, wenn Blätter darauf lagen.

Was ich euch Lesern mitgeben möchte: Bringt eure Dinge zu Ende. Frau Altenburg hatte klare Vorstellungen, die sie nicht mehr umsetzen konnte. Lasst euch nicht von Unwichtigem ablenken, wenn es um Herzensangelegenheiten geht.