Katze gerettet
Es ist Frühling auf dem Westfriedhof im Feld 8. Wir bepflanzen Gräber mit Stiefmütterchen, Vergissmeinnicht, Bellis und Narzissen. Langersehnte Sonne wärmt meine Wangen, während ich die Pflanze in das Beet setze. Die Vögel zwitschern, doch dann höre ich einen Ton, den ich kenne, aber hier nicht erwarte.
Es ist ein gequältes, ängstlichen Weinen. Ein Miauen einer Katze. Auch meinen Mitarbeitern fällt es auf. Wir lassen alles liegen und folgen dem traurigen Ton. Auf einer 5 Meter hohen Kiefer, ganz in der Nähe, hängt sie zwischen den dichten grünen Nadeln.
Rufe und Zusprüche helfen ihr nicht, sie hat Angst zu Springen. Ganz praktisch gedacht rüttle ich an dem Baum. Ich kann ihn fast mit beiden Händen umschließen, als ich böse Blicke meiner Mitarbeiter einfange.
Ich gehe die Möglichkeiten durch. Eine Kettensäge habe ich im Auto – „Nee, das ist zu hart denke ich.“ Also bleibt nur eins, Klettern. „Janine, Doreen holt mal die große Winterjacke aus dem Auto“, rufe ich. Dann klettere ich auf den naheliegenden Grabstein und denke: „Erika, dass ist für einen guten Zweck.“ Von Erikas Stein auf den ersten Ast, immer höher. Das Mauen wird weniger, weil die Mietze mich für eine Gefahr hält. Ich komme immer höher, es wird ganz schön wackelig. „Na, ob das wohl hält?“
Wir gucken uns in die Augen. Ich strecke meinen Arm aus und zerkratze ihn an den Nadeln und toten Ästen. Egal, jetzt muss ich der Mietze helfen. Ich packe sie mit der rechten Hand im Nacken. Ich weiß, dass sie dann still hält, denn genauso werden junge Tiere von der Mutter getragen.
Mit der linken Hand halte ich mich am Baum fest. Ich drehe mich um.
Janine und Doreen halten die Jacke 3 Meter tiefer gespannt. Ok, ich zähle bis 3. Eins, zwei, drei, ich lasse los. Mietze landet sicher in der Jacke und rennt weg. Es hört sich an, als würde sie meckern, während sie flüchtet. Doch wir wissen, dass wir etwas Gutes getan haben.
Gemeinsam pflanzen wir weiter mit einem angenehmen Gefühl im Herzen.